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We can’t gotta get out of this place – zwischen dem, was gegeben ist und dem, was vorenthalten wird 

von Günther Holler-Schuster, 2006

Primäre Erscheinungen wie der menschliche Körper und dessen Umgebung (Raum) sind es, die Herbert Hofer als Basismaterial seiner künstlerischen Überlegungen thematisiert.

Man könnte sagen, dass die Kunst das seit Anbeginn so praktiziert – aber unter wechselnden Vorzeichen. Bis zur Abstraktion am Beginn des 20. Jahrhunderts folgten die Künstler dem Prinzip des Anthropomorphen. Die Gestalt des Menschen – sein Bild, die Repräsentation – stand im Mittelpunkt. In der Renaissance kam die Perspektive als wesentliche Errungenschaft in der Darstellung hinzu. Somit auch der Lebensraum des Menschen – die Landschaft, die Architektur. Es war nun möglich, die menschliche Figur in einem Environment zu positionieren und so einer Realitätswahrnehmung näher zu kommen. Erst technische Mittel der Bilderzeugung schafften eine vorläufige, als perfekt empfundene Wiedergabe der Wirklichkeit. Foto und Film, später Fernsehen und Video zeigten detailreich, wie die Realität zu erleben sei.

Man musste bald erkennen, dass sich wesentlich mehr über diese Realität vermitteln lässt, als man durch bloße Abbildung zu Stande zu bringen vermag. Die Spannung zwischen dem, was gesagt oder visualisiert wird und dem, was nicht gesagt, visualisiert wird, tritt plötzlich in den Vordergrund der künstlerischen Konzeption. Die Wahrnehmung des eigenen und des fremden Körpers oder die Begegnung des menschlichen Körpers mit dem Raum werfen die drängendsten Fragen auf. Es geht dabei – und das führten seit den 1950er, 1960er Jahren Strömungen wie Fluxus, Happening, Performance etc. permanent vor – nicht nur um anatomische bzw. architektonische Phänomene. Vielmehr spielen die psychischen, sozialen und emotionalen Bedingtheiten des Menschen eine wesentliche zusätzliche Rolle. Diese werden auf die Lebensräume übertragen, so dass die subjektive Wahrnehmung den Raum letztlich zu definieren scheint. Man findet hier Moholy-Nagy und El Lissitzky mit ihren schwebenden Raumkonzepten, in denen sich die Perspektiven widersprechen und verwirren, genauso wieder, wie auch die Erfindungen der Kubisten mit ihrer Mehransichtigkeit von Gegenständen, Körpern und Räumen. Ebenso die zentralen Gesetzmäßigkeiten der Minimal Art, die "Ort" und "Präsenz" noch einmal grundsätzlich diskutierten, drängen sich in diesem Zusammenhang auf. Die Videokunst der frühen 1970er Jahre und endlich die hoch entwickelten neuesten Medien scheinen den Bereich zwischen dem, was gegeben ist und dem, was vorenthalten wird, am überzeugendsten erreichen zu können.

Im Bewusstsein all dieser Entwicklungen erarbeitet sich Herbert Hofer sowohl den eigenen Körper als auch den Raum, in dem dieser sich befindet und agiert. Wobei sowohl der Körper als noch mehr der architektonische Raum durchaus symbolisch zu lesen sind. Räumlichkeit als Summe aller Bedingtheiten, unter denen der Organismus zu leiden hat, steht hier vor uns. Er wird durch skulpturale Interventionen (großformatige Fotos vom Raum, die deformiert werden) sogar interpretiert. Wie Reste liegen diese Repräsentationen von Raumzusammenhängen vor uns. Den herkömmlichen Alterungsprozess außer Acht lassend, haben sich diese Räume verbraucht und scheinen implodiert zu sein. Anfallsartig haben sie ihre letzte Zuckung vollführt und sind nun erstarrt.

In einem Monitor daneben läuft ein Video, auf dem der Künstler in einem nicht näher definierten weißen Raum ständig zu Boden fällt. Hofer vollführt hier Variationen über den Fall eines Körpers, der durch seine scheinbare Invalidität gehindert wird, sich aufrecht zu halten. Man könnte meinen, die gesellschaftlichen Umstände verhindern etwas, was sie gleichzeitig fordern. Das dumpfe Geräusch des Falls wird andererseits im gesamten Ausstellungsraum hörbar – auch an Stellen, von denen das Videobild nicht einsichtig ist. Die Bedrohlichkeit, die vom ständig sich wiederholenden Aufschlag ausgeht, überträgt sich auf den gesamten Raum und zieht den Betrachter mit hinein, bis er sich mit den Fotoobjekten in Verbindung bringt und seine eigene Hinfälligkeit erahnen kann. Die Unsicherheit kommt von der Kombination aus Bekanntem (Fallgeräusch) und Fremdem (deformierte Räume).

Hofer scheint hier keine Eindeutigkeit zu suchen, sondern er stellt die Bedingungen in ein Geflecht von Bezügen, das teilweise undurchsichtig, fast paradox, sich einer klaren Deutung entzieht. Die in Gips abgegossenen Raumfragmente, die ebenfalls wie Skulpturen im Raum positioniert sind, unterstützen den Unsicherheitsfaktor noch. Auch sie sind bekannte Formen, die jedoch in ihrer Fragmenthaftigkeit fremd wirken. Die Objekte werden so positioniert, dass man sich die fehlenden Partien imaginär ineinander verschachtelt vorstellen kann – gleichsam mehrere Räume ineinander. Die Mehransichtigkeit kubistischer Überlegungen wird hier genauso spürbar, wie die wesentlich jüngeren Erlebnisse, die durch die Virtualitätsmodelle von computergestützten Raumkonzeptionen bekannt sind. Zusätzlich ist die inhaltliche Ebene plötzlich verstörend, denn durch die intensiven Körperbezüglichkeiten (Fallgeräusch, verletzte bzw. verbogene Räume in Form von Fotoobjekten) bekommen die Gipsabgüsse etwas Medizinisches.

Das Wesen des Horrorfilms findet hier eine Anwendung. Die Ausgewogenheit aus Bekanntem und Fremdem macht in derartigen Filmen die Unheimlichkeit aus und schürt die Angst durch Unsicherheit. Die Umkehrung der Relationen von Körper und Raum erscheinen letztlich als zirkuläre Beziehung zweier Körper. Dieses Beziehungsgeflecht wirkt durch seine Unentrinnbarkeit bedrohlich.

In jüngsten Arbeiten ist der Künstler selbst auf den Fotos zu sehen, wie er in eine Raumecke hinein kriecht. Durch die nachträgliche Deformation dieser Fotos und durch deren fast Lebensgröße, wird die Illusion zum "Special Effect" und man gewinnt den Eindruck, der Körper sei vom Raum, der sich eben noch bewegt haben könnte, im Begriff verschluckt zu werden.

Diese plastische Definition eines statischen Verhältnisses von Körper und Raum kommt noch in einem weiteren Werkkomplex zum Ausdruck. In großen wandartigen Gebilden, die massiv im Raum stehen, befindet sich fein säuberlich gefrästes textliches Fundmaterial: "what the fuck is your name!?" Wieder tritt der Körper, in Form seiner Funktion (Sprache), auf und erneut ist er abwesend – nur die Massivität der Skulptur garantiert Präsenz. "Ort" und "Präsenz", die Grundlagen der Minimal Art, werden zum selbstverständlichen Grundschema menschlicher Existenz, denn jeder Mensch definiert sich letztlich dauernd über Ort und Präsenz – da gibt es kein Entrinnen. Herbert Hofer scheint genau zu wissen, dass, was er auch angreift, wie er sich auch immer auszudrücken versucht, er immer in der Reduktion der künstlerischen Mittel auf das psychische Ich landet, dass den Künstler zum Medium seiner selbst macht.