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Erkennen ereignet sich an der Berührung von äusserer Realität und den geistigen Konstrukten, die unsere Wahrnehmung daraus formt. Kunst ist in der Lage, diese Berührung als Raum wahrzunehmen, in ihn einzudringen, ihn sichtbar zu machen, ihn zu gestalten.

(Ich betrachte den Raum, schließe kurz die Augen, betrachte den Raum erneut. Wenn etwas verändert wäre, ließe sich mit Sicherheit entscheiden, worin die Veränderung läge, im Raum oder in meinem Blick auf ihn? Und vielmehr: wenn nichts verändert scheint, woher stammt die Konstanz? Ist sie Qualität des Raumes oder Produkt meiner Wahrnehmung?) 

(Sakkaden: schnelle, ruckartige und unbewusst ablaufende Augenbewegungen von einem Wahrnehmungsobjekt zum anderen. Durch sie trifft das einfallende Licht laufend auf neue Rezeptoren und wodurch deren Gewöhnung an gleichbleibende Reize verhindert wird. Wenn man im Rahmen von Experimenten jemandes Kopf fixiert und diese Augenbewegungen unterbindet, kommt es vorübergehend zu Erblindung. - Erkennen zu können erfordert Bewegung! ...)


Meine Arbeit befasst sich mit den Bedingungen und Möglichkeiten von Erkenntnis, Erinnerung, Wahrnehmung und damit auch der Frage der Teilhabe. Ich verfolge dabei mehrere Ansätze, die auf der Ebene von Ideen miteinander verknüpft sind. Ihre Gemeinsamkeit ist die Überlagerung von Wahrnehmungsversionen. Damit gehen meist mehrstufige Produktionsprozesse einher, die auch gut lesbar bleiben sollen. Der Aspekt der Verräumlichung ist eine weitere Folge dieser Grundidee. 

Die Arbeiten nehmen ihren Ausgang von Fotografien, Zitaten, Abgüssen von Gegebenheiten des unmittelbaren Arbeits-, popkulturellen Alltags- und räumlichen Umfeldes. Die Vorgangsweisen, die ich zur Überlagerung von Bildversionen wähle, bringen häufig Resultate hervor, die sich der Vorstellbarkeit und Erinnerbarkeit entziehen. 

( ... Falte: Falte ist Verräumlichung, Vervielfältigung der Wahrnehmungsmöglichkeiten. Falte ist Resultat und Erinnerung eines Ereignisses. Falte ist Sprache und Text, wenn das ungefaltete Medium Laute und Buchstaben sind, daher ist Falte immer nur ein Innen, kein Außen. Selbst Dokument (unmittelbarstes und gültigstes) ist ihre Haltung undokumentarisch, jede Behauptung von Objektivität ihr fremd.)

 Fotoarbeiten 
In einem seit 2011 betriebenen Projekt erweitere ich den Topos der fotografischen Mehrfachbelichtung, indem ich - in einem ausschließlich analogen Verfahren und unter Bezug auf den Begriff des Negativs - der Abbildung des Gegenstandes eine invertierte - und zudem verkehrte oder gespiegelte - Verdopplung hinzufüge. Dem Raum ist seine Verdoppelung als Befremden überlagert, seine Texturen mit sich selbst überschrieben. Körper, Räume und Wahrnehmungsapparaturen sind ineinander eingeschrieben, das Individuum darin auf sich selbst zurückgeworfen.

Die Überlagerung in gerade dieser Weise erinnert nicht nur an die Bedingungen des Mediums sondern verweist in weiterer Folge auch an alle anderen am Wahrnehmungsprozess beteilgten Instanzen und Aspekte: Licht, Bildgegenstand, Kamera, Film - aber auch: Augapfel, Sehnerv, Gehirn.

raumfalte
In den raumfalte Arbeiten knittere ich grossformatige Fotografien von Räumen. Diese Arbeiten operieren mit der Vorstellung, dem Raum sein immateriell darin schwebendes Abbild abziehen und der Materialität (sowie auch der Schwerkraft) überlassen zu können. Insoferne beruht die Konzeption dieses Prozesses von vornherein sowohl auf einem direkten Abbild äusserer Realität als auch auf einem geistigen Konstrukt dieses Bildes.

Grossformatig aufragende Abbildungen von Wänden und Knicke in Bildern, die Ecken zeigen, mimikrieren ihre realräumlichen Vorbilder und irritieren das Raumgefühl. Die Größe der Arbeiten sowie der Widerstand den das Material dem Knittern entgegengebracht haben muss, beeindrucken unmittelbar physisch. 

textnetz
Text ist räumliche Anordnung von Zeichen. Wenn man Text faltet ruft man Kategorien des Raumes in Erinnerung: wo steht etwas, was steht in unmittelbarer Umgebung, was auf der Rückseite ... aber auch: was entsteht, wenn man die Zeichen anders anordnet.

Wien, 07 2016